Gäbe es eine Hitliste der unterschätztesten politischen Themen, würde ich auf den Sieger wetten: Die Misere mit der Altenpflege würde mit weitem Abstand siegen, da bin ich mir sicher. Dieses Thema brennt Millionen von Menschen unter den Nägeln. Warum das so ist, hat mir in der letzten Woche ein Besuch in einem Pflegeheim in Buxtehude mal wieder sehr deutlich gezeigt:
– Es geht um Millionen betroffener Menschen. Und betroffen sind eben nicht nur die alten Menschen, die Pflege benötigen. Betroffen sind auch unzählige Familienangehörige, die sich aufreiben für ihre Eltern oder mit einem schlechten Gewissen herumlaufen. Diese Situation wird vielen von Euch bekannt vorkommen.
– Es geht um Millionen Beschäftigter, aber es sind immer noch viel zu wenige. Als ich in der letzten Woche das Pflegezentrum in Buxtehude besucht habe, ist mir das sehr eindrucksvoll geschildert worden: Früher waren die Bewohnerinnen und Bewohner alt, aber überwiegend nicht krank. Heute – so ist mir gesagt worden – sind dagegen ca. 90 % an Demenz in unterschiedlichen Stufen erkrankt. Diese Menschen brauchen mehr und nicht weniger Zuwendung. Statt dessen steht aber weniger Zeit zur Verfügung und die Pflegenden stehen unter Dauerstress. In Verbindung mit ungünstigen Arbeitszeiten und einer häufig geringen Bezahlung sorgt das für ein wenig attraktives Berufsbild.
– Es geht um ein Thema, das noch deutlich größer und nicht kleiner wird. Das liegt schlichtweg am Altersaufbau unserer Gesellschaft. Wenn zum Beispiel die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer (1959 bis 1969) alt sein werden, wird es noch einmal um ganz andere Dimensionen gehen.
Was tun? Es ist ja nicht so, dass die Pflege nicht ein Thema in Berlin wäre. Sie war ein Schwerpunkt in den Koalitionsverhandlungen und die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen: 8000 neue Stellen sollen geschaffen und die Tarifbindung gestärkt werden, um nur zwei Beispiele zu nennen. Aber das alleine kann es noch nicht sein. Deswegen bin ich vor allem gespannt auf die Ergebnisse der angekündigten „Konzertierten Aktion Pflege“. Innerhalb eines Jahres soll ein Maßnahmenpaket auf den Tisch gelegt werden, wie die Pflegeberufe nachhaltig attraktiver werden können. Alle Beteiligten von Politik über Kassen bis zu den Sozialpartnern sitzen dabei mit am Tisch. Wenn es klappt, könnte auf dieser Grundlage dann wirklich ein Schritt nach vorne gelingen. Letztlich müssen wir wohl von der mutmaßlichen Situation in 10 oder 20 Jahren ausgehen und uns fragen, wie wir dann eine gute Pflege sicherstellen wollen. Das wäre ein Reformprojekt, dass ebenso anspruchsvoll wie notwendig ist. Aber wahrscheinlich warten Millionen von Betroffenen gerade darauf.
Ich wünsche Euch eine gute Woche!