Er ist der neue Bürgermeister von Harsefeld

Aus dem Tageblatt vom 28.02.2019 – Miriam Fehlbus

HARSEFELD. Er ist der neue Bürgermeister von Harsefeld. Der 65-Jährige ist nach eigenen Angaben ein Mann, der sich in der zweiten Reihe wohlfühlt. Wie kam es dazu, dass er nun ganz vorn die repräsentative Vertretung der Gemeinde übernimmt?

TAGEBLATT: Es kommt nicht ganz so häufig vor, dass ein Bürgermeister als rein repräsentative Vertretung einer Gemeinde während der Wahlperiode wechselt. Wie ist das aus Ihrer Sicht gelaufen?

Harald Koetzing: Michael Ospalski hat uns seine Entscheidung zurückzutreten, kurz vor der öffentlichen Veranstaltung mitgeteilt. Ich war überrascht und ich muss sagen, ich hätte vielleicht an seiner Stelle nicht so schnell das Handtuch geworfen. Aber wir müssen dafür Verständnis haben. Es ging für Michael Ospalski darum, seine Familie zu schützen. Seine Kinder, seine Frau und seine Mitarbeiter wurden immer wieder in Harsefeld auf die Sache mit dem Grundstück an der Buxtehuder Straße angesprochen, und das nicht immer nett. Diese Belastung wollte er ihnen nehmen.

War es der richtige Zeitpunkt?

Eigentlich schien für uns alles geklärt zu sein. Der Rat hatte sich gegen die Rückforderung des Gewerbegrundstücks ausgesprochen. Und ich muss auch sagen, aus meiner Sicht ist alles genau richtig gewesen. Das Grundstück war wie gefordert bebaut, nicht mit einem Gebäude, aber mit einer Ausstellungsfläche, die gewerblich genutzt wurde. Wenn das anders gewesen wäre, hätte ich es auch anders gesehen.

War sofort klar, wer neuer Bürgermeisterkandidat sein soll?

Ganz grob hatten wir einmal darüber gesprochen, was sein könnte, wenn der Fall eintritt, dass Michael Ospalski als Samtgemeindebürgermeister kandidiert und damit eventuell während der Wahlperiode als ehrenamtlicher Bürgermeister nicht mehr zur Verfügung steht. Aber mit dieser Entscheidung von Michael Ospalski musste ich erst einmal neu nachdenken. Ich weiß noch, ich war an dem Tag danach bei einem Geburtstagsbesuch und wahrscheinlich ziemlich in Gedanken. Bürgermeister zu werden war niemals mein Plan. Ich war immer gerne im Hintergrund und habe die Fäden gezogen.

Aber jetzt stehen Sie in der ersten Reihe…

Ja, jetzt bin ich ganz vorne. Ich habe dann mit meiner Frau gesprochen, weil sie auch darunter leiden wird, weil weniger Zeit für die Familie bleibt. Danach habe ich zugesagt.

Es wurde im Vorfeld vor allem aus den Reihen der Wählergemeinschaft mehrfach darauf hingewiesen, dass Sie im Wahlkampf vergleichsweise wenig Stimmen bekommen haben, eher unbekannt und damit nicht für das Bürgermeisteramt geeignet seien. Was sagen Sie dazu?

Ich habe dazu schon in der Sitzung mit der Bürgermeisterwahl Stellung genommen. Die Wählergemeinschaft ist in der Wählergunst auf dem dritten Platz gelandet. Es geht nicht um die Stimmen für einen Einzelnen, die Harsefelder wollten einen SPD-Bürgermeister haben. Das war die Botschaft. Wir haben 2016 natürlich gezielt für Michael Ospalski Wahlkampf gemacht. Wir anderen sind über die Liste hineingekommen, ich auf Platz drei hinter Andrea Truchel.

Michael Ospalski hat den Sitz im Harsefelder Flecken-Rat aufgegeben. Auch Heiko Sudwischer als eine Art Mentor Ospalskis hat seine Sitze aufgegeben. Wie geht es bei der SPD jetzt weiter?

Dass Michael Ospalski nicht mehr im Flecken-Rat ist, ist ein Verlust. Das Positive vielleicht: Wir haben uns verjüngt.

Michael Ospalski als Harsefelder Bürgermeister hatte viele Themen, die er sich auf die Fahne geschrieben hat. Was ist jetzt damit?

Ich werde alles weiterführen. Ich stehe da voll dahinter. Sozialer Wohnungsbau, Neubaugebiete, nach anfänglichen Bedenken meinerseits auch die Brücke, weil viele weitere Fördermöglichkeiten auf dem Vorhandensein dieses Baus für Fußgänger und Radfahrer aufbauen. Das Ärztezentrum im ehemaligen Aldi-Markt, das wird auch mein Thema sein. Wir müssen Ärzte finden, die da rein wollen. Es geht dabei vor allem, aber nicht nur um Hausärzte, meiner Meinung nach braucht Harsefeld auch Spezialisten, ein Augenarzt zum Beispiel wäre sehr gut.

Haben Sie denn schon mit der Kassenärztlichen Vereinigung als entscheidender Ansprechpartner Kontakt aufgenommen?

Ja, und da werden unsere Pläne auch positiv gesehen. Wir sind im Gespräch.

Wie sieht es mit dem weiteren Wachstum von Harsefeld aus? Wo sehen Sie Harsefeld sagen wir mal im Jahr 2030?

Bei 15 000 Einwohnern, und mit bezahlbarem Wohnraum. Die Einwohnerzahl ist wichtig, um alles zu finanzieren, was wir hier haben, auch wenn manches davon im Samtgemeindehaushalt zu finden ist: Eissporthalle, Schwimmbad, Freibad, moderne Schulen, Kindertagesstätten, Einzelhandel. Vieles würde fehlen, wenn wir nicht die Steuerkraft hätten und die Menschen, die mit ihrer Kaufkraft die Geschäfte und Unternehmen im Ort halten. Wenn Harsefeld nicht mehr wächst, müsste irgendwo eingespart werden. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft Neubaugebiete. Gleichzeitig müssen wir sehen, dass auch die bleiben können, die im Alter mit ihrer Rente auskommen müssen oder einen Pflegeplatz brauchen. Wir brauchen Wohnraum, den sich auch Geringverdiener oder junge Familien ohne großes Einkommen leisten können.

Wenn Sozialdemokraten denn träumen dürfen, was müsste Harsefeld sonst noch haben?

Harsefeld hat alles (lacht) und soll alles behalten.

Wobei: Ich fordere, und habe das auch schriftlich in einem Brief an den neuen Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Lüneburg Thomas Ring getan, die Umsetzung eines Punktes in seiner Ernennungsrede: Mehr Polizei für den ländlichen Raum. Wir benötigen in Harsefeld mehr Polizisten, damit wir wieder eine Besetzung der Polizeistation am Wochenende haben.

Machen Sie mal Werbung für die Politik. Was ist der große Vorteil von Harsefeld?

Die Fraktionen im Rat sind hier so angesiedelt, dass wir uns nicht bekämpfen müssen, wir arbeiten hier viel zusammen. Wir machen das alles für Harsefeld, für die Bürger, nicht für uns. Da wird dann lieber nach dem Kompromiss gesucht als sich gestritten.

Harsefeld braucht einen Bürgermeister. Braucht es auch ein Bürgerhaus?

Wir hatten ja zuerst die Pläne, dort, wo einmal nach dem Neubau der Rosenborn-Grundschule und den Abriss der alten Gebäude Platz entsteht, ein Bürgerhaus zu bauen. Inzwischen wird anders diskutiert, einmal ist der Platz für das Bürgerhaus noch offen, auch ob es einmal Bürgerhaus oder Haus der Begegnung heißen wird. Das muss sich alles noch zeigen.

Zum Hintergrund

Der Bürgermeister einer Mitgliedsgemeinde wie in diesem Fall des Flecken Harsefeld wird nicht direkt von den Bürgern bestimmt. Vielmehr wird er üblicherweise zu Beginn der Wahlperiode aus der Mitte des Rates von den Politikern gewählt. Deshalb sind politische Mehrheiten für den Erfolg einer Kandidatur entscheidend. In Harsefeld musste nach 2016 Ende Januar ein neuer Bürgermeister gewählt werden, weil Vorgänger Michael Ospalski überraschend Anfang des Jahres zurückgetreten war. Der Sozialdemokrat war wegen eines Gewerbegrundstücks in die Kritik geraten, das er vor mehr als zehn Jahren als ortsansässiger Unternehmer mit der Auflage gekauft hatte, es binnen drei Jahren zu bebauen. Weil es nur mit einer Pflasterfläche versehen und Teile davon in der Gegenwart teurer verkauft wurde, warfen ihm einige Grundstücksspekulation vor.

Der Bürgermeister des Flecken Harsefeld stellt die repräsentative Vertretung der Gemeinde dar, er hat den Vorsitz im Rat. Die Verwaltungsaufgaben werden in Harsefeld vom Gemeindedirektor wahrgenommen. Das ist in diesem Fall Rainer Schlichtmann, gleichzeitig Samtgemeindebürgermeister. Es gibt allerdings in der Samtgemeinde Harsefeld mit Bargstedt und Ahlerstedt auch zwei Kommunen, in denen der Bürgermeister auch jeweils die Verwaltungsfunktion übernimmt. Der Flecken-Bürgermeister ohne Verwaltungsaufgaben wird auch häufig mit dem Zusatz „ehrenamtlich“ versehen, weil er nur eine Aufwandsentschädigung für seinen Einsatz erhält.

Zur Person

Harald Koetzing ist vor 65 Jahren in seinem Elternhaus in Ohrensen zur Welt gekommen. Er hat eine Tochter, einen Sohn und bisher ein Enkelkind. Gearbeitet hat der Harsefelder, der mit seiner Frau und seinem von Geburt an geistig behinderten Schwager zusammen nicht weit entfernt vom Rathaus wohnt, als freier Handelsvertreter. In die SPD trat er 1990 ein. 1992 rückte er im Ortsverein Harsefeld als Beisitzer in den Vorstand.

Ab 1994 war er stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, seit 2008 ist er dort Vorsitzender. Im Rat des Flecken Harsefeld ist Harald Koetzing seit 2007, seit 2011 gehört er dem wichtigen Verwaltungsausschuss an. Im Beirat der Sozialstation Geest ist er Stellvertreter. Koetzing ist hinzugewähltes Mitglied im Behindertenbeirat der Samtgemeinde und dort auch Stellvertreter. Außerdem ist der Harsefelder im Kreisverband des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds.